Das Schicksal anzunehmen statt zu bekämpfen bringt uns zu unserem ureigensten Wesen. Fälschlicherweise wird in vielen Seminaren oft vermittelt, dass das Schicksal in die eigene Hand genommen werden kann. Dabei ist hier nur gemeint, verantwortlich mit seinem Leben, und was dieses für einen bereithält, umzugehen und dass man seine Fähigkeiten und Talente in die Welt einbringt. Schicksal bedeutet jedoch mit Umständen und Ereignissen konfrontiert zu werden, die vorderhand noch nichts mit einem zu tun haben. Aber schon Albert Einstein war der Überzeugung, dass es in der Natur keinen Zufall gibt und der Mensch nur begrenzt Ereignisse berechnen kann. So ist es in einem Menschenleben ein Stück weit vorherbestimmt, dass uns Menschen und Dinge eine Zeit lang begleiten und dann wieder gehen. Manchmal wollen wir besonders dieses „Gehen“ nicht wahrhaben, dennoch ist es erforderlich sich mit Verlusten (sowohl auf menschlicher als auch auf materieller Ebene) auseinanderzusetzen und auszusöhnen. Das „Gehen“ muss sich auch nicht immer auf einem Sterbefall beziehen. Manchmal trennen sich einfach die Interessen und Menschen gehen unterschiedliche Wege. Trennungen scheinen dem einen einfach und dem anderen wiederum schwer zu gelingen. Gefühle sind dabei wesentlich, sie wollen beachtet und anerkannt werden. Auch dies kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich wahrgenommen werden, einige tragen die Gefühle nach Außen, andere wiederum setzen sich mit ihren Gefühlen alleine auseinander. In der psychosozialen Beratung wird der Mensch in seinen Krisen begleitet. Idealerweise zielt die Begleitung darauf ab, das Schicksal anzunehmen und bei der in der Krise befindlichen Person eine Haltung zu entwickeln, mit welcher man wieder zuversichtlich dem Leben begegnet. Mir gefällt an dieser Stelle die Begegnung mit dem Leben besser als beispielsweise der Zukunft zu begegnen, welche eben noch nicht geschrieben ist. Wir sind Leben und begegnen Leben und nur daraus machen wir unsere Erfahrungen und können daraus Erkenntnisse ziehen! Sich diesem Leben anzuvertrauen trotzt jeder Theorie. Es gibt unzählige Modelle, welche uns das Leben erklären oder einfacher machen möchten. Für mich jedoch ist einzig und allein das Leben selbst der Lehrmeister, es bringt uns die Schätze der persönlichen Erfahrungen und den daraus gewonnenen Erkenntnissen. Ich denke, nur wenn wir aus unserer persönlichen Geschichte lernen, sind wir für neue Erfahrungen offen und bereit, uns weiterzuentwickeln. Es ist ein stetiger Prozess, welcher das Leben für uns bereithält. Oftmals dürfen wir erfahren, dass beim Annehmen von Situationen und Gegebenheiten sich etwas Neues von ganz allein fügt und es gelingt uns dann viel einfacher, dieses zu integrieren. Also nehmen wir das Leben dankbar als Lehrmeister an, auch wenn in manchen Phasen Schmerz und unangenehme Gefühle zu tragen sind.
Helmut Wurdinger zum Junineumond 2025